Mathilde Schneider und der Weizenbock

Der untergärige Doppelbock ist sicherlich eine Erfindung aus dem Klosterleben. Schließlich sollte die Fastenzeit nicht ganz so nüchtern sein. „Flüssiges bricht das Fasten nicht“ ist ein monastischer Grundsatz und es ist eine Tradition, in der Fastenzeit Starkbiere zu trinken, man denke nur an die Starkbierzeit, die mit dem Fassanstich am Münchner Nockherberg eingeläutet wird.

Der erste obergärige Doppelbock hingegen ist eine rein weltliche Angelegenheit und eine weibliche obendrein. Denn das erste obergärige Starkbier der Welt, das Aventinus, wurde im niederbayerischen Kelheim gebraut, wo nach München die zweite Brauerei der Familie stand.

Vom Kloster zum Bürgertum: Die Geschichte des Salvator-Doppelbocks

Das Maß aller Dinge beim obergärigen Weizenbock ist das Aventinus. Dagegen war das von den Münchner Paulanern gebraute Salvator stilprägend für den untergärigen Doppelbock (ab 18 Prozent Stammwürze).

Die ersten Ordensbrüder der Paulaner kamen 1627 aus dem Burgund. Sie zogen in das Münchner Kloster Neudeck ob der Au und brauten Bald für den Eigenbedarf. Der Doppelbock war bei den Mönchen vor allem in der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern beliebt, da es sehr nahrhaft war. Jedes Jahr wurde im Frühling ein besonders starkes Bier ausgeschenkt, das Sankt-Vater-Öl. Später wurde daraus der Salvator (Retter).

Nach der Säkularisierung 1813 wurde Paulaner zur bürgerlichen Brauerei und der
Salvatorkeller öffnete auf dem Nockherberg. Der Doppelbock wurde am Sonntag vor Josefi (19.3.) zum ersten Mal ausgeschenkt. Seit dem Anstich 1891 gibt es eine Salvatorrede, die heute ein gesellschaftliches Ereignis ist und Politiker „derbleckt“, das heißt verspottet. 

Die Brauereien, die ihre Biere ebenfalls Salvator nannten, wurden von der Brauerei Paulaner 1896 durch eine Klage am Reichspatenamt in Berlin gezwungen, eigene Doppelbock-Marken einzuführen. Salvator definierte aber weiterhin den Stil. Doppelböcke sind seitdem namentlich an der Endung -ator erkennbar, z.B. Animator (Hacker Pschorr), Celebrator (Ayinger), Maximator (Augustiner) oder Triumphator (Löwenbräu). 

Der erste Weizenbock

Starkbiere oder Doppelböcke waren ausschließlich untergärig. Bis 1907! Da braute Schneider Weisse den ersten obergärigen Weizenbock mit einem Alkoholgehalt von acht Prozent. Zu dieser Zeit wurde die Brauerei nach dem Tod ihres Mannes Georg III. Schneider von Mathilde Schneider geführt. Als sie zwei Jahre zuvor die Brauerei übernahm, musste sie ihren Schwager als Geschäftsführer einsetzen, da es unüblich war, dass eine Frau einen Betrieb führte. Sie war aber diejenige, die sagte, wo’s langging. So war es auch Mathilde Schneiders Wille, den ersten Weizenbock zu brauen. Er sollte nach der Aventinstraße in München genannt werden, die Adresse der Brauerei. Der Straßename verweist auf den bayerischen Historiker Johannes Aventinus.

Doch der Bayerische Brauerbund legte ein Veto ein, weil ein Starkbier nach einem Heiligen benannt werden müsse. Nach einigen Recherchen fand der Pfarrer der Familie Schneider unter den sieben Hügeln Roms, zu denen auch der Aventin gehört, einen Heiligen gleichen Namens. So entstand das Bier mit dem Namen St. Aventinus. Heute ziert das Etikett der St. Aventinus-Bierflasche das Porträt von Johannes Aventinus, der im Landkreis Kelheim aufgewachsen ist.

Damals wie heute ist das Aventinus mit seinen Noten von Datteln, Feigen, exotischen Gewürzen und reifen Bananen weltweit ein sehr begehrter Doppelbock. Mit insgesamt 16 Medaillen, davon 9 x Gold, ist es das meist ausgezeichnete Bier beim European Beer Star.

Eine Geschichte der Innovation und Leidenschaft

Die Geschichte von Mathilde Schneider und ihrem obergärigen Doppelbock Aventinus ist eine, die Innovation und Leidenschaft verkörpert. In einer Zeit, in der Frauen selten in Führungspositionen zu finden waren, setzte sie neue Maßstäbe und hinterließ ein Vermächtnis, das Bierfans weltweit schätzen.

Wenn Du das nächste Mal das Aventinus trinkst, genießt Du auch ein Stück Biergeschichte.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert